Samstag, 28. Juni 2025

Dichterfreundschaft von Goethe und Schiller


Die Bedeutung, die Goethe dieser Produktivfreundschaft beimaß, wird am eindrücklichsten in seinem nur wenige Wochen nach Schillers Tod an Carl Friedrich Zelter verfassten Brief sichtbar: „Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins. Eigentlich sollte ich eine neue Lebensweise anfangen; aber dazu ist in meinen Jahren auch kein Weg mehr. Ich sehe also jetzt nur jeden Tag unmittelbar vor mich hin, und tue das Nächste ohne an eine weitre Folge zu denken.“

Der Verlust Schillers war für Goethe derart gravierend, daß er ihn als einen epochalen Einschnitt in das eigene Leben, die eigene Persönlichkeit und seine Produktionspraxis begriff. Nur einen gänzlichen Lebenswandel imaginierte Goethe als Möglichkeit, diesen Verlust zu kompensieren. Dieser Weg blieb ihm aufgrund seines Alters sowie seiner gesellschaftlichen Stellung jedoch verwehrt.

Friedrich Schiller. Porträt von Anton Graff. 1791.

Der existenzielle Charakter dieses kulturpolitischen Dichterbundes, der sich mit dem Tod Schillers offenbart, war anfangs jedoch keineswegs absehbar. Zunächst war das Verhältnis zwischen Schiller und Goethe von Konkurrenz geprägt. Mit seinem in jegliche Richtung zum Extrem neigenden Drama Die Räuber wird Schiller nicht nur postwendend zum gefeierten Schriftsteller, sondern wiederholt gewissermaßen den Erfolg von Goethes Götz von Berlichingen, den dieser zehn Jahre zuvor – und somit in eben dem Alter, in dem Schiller seine Räuber verfasst – gefeiert hatte. Es war nicht nur der Erfolg Schillers, der Goethe argwöhnen ließ, sondern auch der Zug des Sturm und Drang in dessen Schaffen, derjenigen literarischen Phase, die Goethe selbst bereits überwunden hatte.


Weblink:

Die Anfänge des Dichterbundes



Verfasser:

Bayerische Staatsbibliothek / Janine Katins-Riha M.A. & Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Osterkamp, Ernst (2009): Einsamkeit. Über ein Problem in Leben und Werk des späten Goethe. In: Tabula Rasa. Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken 38. URL: http://www.tabvlarasa.de/38/Osterkamp.php, (08.02.2017).

Safranski, Rüdiger (2009): Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft. 9. Aufl. München.
Straka, Martin (2009): Schillers Freundschaften. Eine Beschreibung seiner Freunde. Pforzheim.


Quellen:

Friedrich Schiller; Christian G. Körner: Briefwechsel zwischen Schiller und Körner. Hg., ausgew. u. komm. v. Klaus L. Berghahn. München 1973.
Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 20.1: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 bis 1832. München/Wien 1991, S. 98.
Externe Links: Sammlungsbeschreibung in bavarikon
Brief Christian Gottfried Körners vom 28. September 1788
Brief Friedrich Schillers vom 12. September 1788

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