
Rijeka, die kroatische Metropole mit postindustrieller Anmut, ist neben dem irischen Galway Europäische Kulturhauptstadt 2020. Die kroatische Hafenstadt leidet darunter, daß die Corona-Pandemie die Veranstaltungspläne belastet und daß es zu vileen Einschränkeungen im Veranstaltungskalender gekommen ist.
Das hatten sich die Macher im Kulturhauptstadtjahr ganz anders vorgestellt, doch dann kam Corona. Viele Veranstaltungen mussten abgesagt werden, einige werden verspätet fertig gestellt und das Kulturhauptstadt-Budget wurde um die Hälfte gekürzt. Obwohl das Kulturhauptstadtjahr bis zum April 2021 verlängert wurde: "Šta da" - die Floskel, die jeder in Rijeka (und nur in Rijeka!) benützt und die in diesem Fall so viel bedeutet wie "Echt jetzt?" - passt perfekt.
Rijeka ist schon eine seltsame Stadt, meint die Schriftstellerin Tea Tulic. Schließlich würde sich ihre Geburtsstadt dem Besucher nicht in Richtung Meer öffnen, sondern sich viel eher hinter einer Art "Rust Belt" zur Küste hin verstecken. Dennoch: heuer ist Rijeka eine der europäischen Kulturhauptstädte.

Eine Eröffnung - und gleichzeitig auch Schlussveranstaltung, wie Musiker Goran Tomic mit Galgenhumor bemerkt, denn viel war seither nicht mehr möglich. Ein Besuch lohnt sich dennoch in der Stadt, die auch als jene in die Geschichte einging, in der Gabriele D'Annunzio als Vorreiter des italienischen Faschismus auftrat.
Bei der Bewerbung war man das „hässliche Entlein“, sagt Ivan Šarar, Leiter Kulturabteilung Rijeka und für das Programm der Kulturhauptsadt mitverantwortlich.
Denn in Rijeka ist der Kulturbegriff nicht gleichbedeutend mit römischen Ruinen oder historischen Bauten wie in Dubrovnik. Hier will man sich mit seiner postindustriellen Vergangenheit auseinandersetzten. Die Pandemie ist für ihn kein Grund zur Verzweiflung – schließlich sei man in Rijeka schwierige Zeiten gewohnt. Und das Kulturhauptstadt-Jahr böte eine Chance, sich den Traumata der Vergangenheit zu stellen, so Ex-Punker Ivan Šarar.
Allein im letzte Jahrhundert hat die Stadt sieben unterschiedlichen Staaten angehört – von der österreichisch-ungarischen Monarchie über das kommunistische Jugoslawien bis hin zur heutigen Republik Kroatien: in der Stadt begegnet man auf Schritt und Tritt zahlreichen Zeugnissen der Geschichte.
Rijeka ist die drittgrößte Stadt Kroatiens, gelegen an der Kvarner Bucht. Alleine im 20. Jahrhundert gehörte die Stadt zu sieben verschiedenen Staaten – vom Habsburger Reich über Italien und Jugoslawien bis zur heutigen Republik Kroatien. Und diese Umbrüche haben tiefe Spuren im Stadtbild hinterlassen: Sozialistische Plattenbauten, typische K.-u.k.-Jugendstilpaläste und Industrie-Charme haben sich im Stadtbild verewigt. Auf dem Marktplatz dominieren architektonische Einflüsse aus der Zeit der K.-u.k.-Monarchie. Die ersten Pavillons stammen aus den 1880er Jahren.
Rijeka ist eine Stadt mit postindustriellem Charme und hat keinen einladenden Strand mit Sonnenliegen und bunten Schirmen. Aber das braucht die Stadt auch nicht - ihr Charme liegt ganz woanders. Rijeka ist die Schnittstelle zwischen Mittel- und Südosteuropa. Die Hafenstadt ist eine Mischung aus mittelalterlichen Festungen, Prunk-Palästen aus der Habsburgerzeit, Jugendstilmarkthallen, italienischen Piazzas, sozialistischen Plattenbauten und verlassenen Fabrikhallen, die wachgeküsst werden wollen - wer braucht denn da bitte noch einen Strand?
Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte Rijeka zur kaiserlich und königlichen Monarchie, von 1924 bis 1945 war der größere Teil der Stadt unter italienischer Vorherrschaft. Es folgte der Vielvölkerstaat Jugoslawien, in dem Rijeka zu einer sozialistischen Musterstadt mit Werften, Raffinerien und Fabriken heranwuchs. Die Bevölkerungszahl stieg von 25.000 auf 200.000 Einwohner. Nach dem Zerfall Jugoslawiens mussten viele Industrien schließen, die Fabriken verwandelten sich in apokalyptische Kulissen. Viele Menschen wurden arbeitslos - übrig blieb der Dienstleistungssektor und das Auswandern. Heute leben in Rijeka noch 130.000 Menschen.
Rijeka wurde aus mehreren kroatischen Städten ausgewählt, welche sich als Europäische Kulturhauptstadt 2020 beworben hatten und dabei das typische Kroatien verkörpert haben, aber Rijeka gewann den Zuschlag. Bei der Bewerbung war man das „hässliche Entlein“, sagt Ivan Šarar, Leiter Kulturabteilung Rijeka und für das Programm der Kulturhauptsadt mitverantwortlich.
Die spröde wirkende Hafenstadt Rijeka will sich neu aufstellen, von einer Hafen- zu einer Kulturstadt. Insgesamt 40 Millionen Euro EU-Förderung hat Rijeka für das kommende Jahr bekommen. Aber im Gegensatz zu anderen Kulturhauptstädten will die Stadt an der Kvarner Bucht keine neuen Gebäude bauen. Rijeka bewahrte das Alte - und macht daraus Neues. "Die verlassenen Industriegebäude sind Teil der Stadtidentität, sie haben einen narrativen Wert, deswegen haben wir uns entschieden, diese nicht abzureißen, sondern sie umzugestalten", sagt Irena Kregar Šegota, Kommunikationsleiterin für Rijeka 2020.
Weblink:
Rijeka und Galway: Kulturhauptstädte 2020 mit Charme - www.dw.com