Samstag, 15. Oktober 2022

Der Gral in der Literatur

»Wer ist der Gral? – Das sagt sich nicht.« So heißt es in Richard Wagners Parsifal. Man könnte zweihundert Bücher über ihn schreiben, meint der mittelalterliche Erzähler Robert von Boron, dem der wichtigste moderne Gralautor, Richard Wagner, wesentliche Momente seiner Gralkonzeption verdankt.

Was ist der Gral? Der heutige Gralsucher fragt weniger unwissend als Parsifal, aber auch der moderne Forscher kann keine eindeutige Antwort geben. »Ein Ding« sei der Gral, sagt Wolfram von Eschenbach, und erzählt, ein Stein sei es, aus dem Himmel gekommen oder schon immer da, einst von Engeln gehütet, Schale, Stein, Kleinod – die Erscheinungsformen des Grals in seinen verschiedenen literarischen Gestaltungsformen sind mannigfach und die

Herkunft dieser Vorstellung bleibt geheimnisumhüllt. Mit den Thesen dazu beschäftigt sich ein einleitendes Kapitel, ein Gang durch die Geschichte der Gralepen und -romane bis zur Gegenwart soll von der Strahlkraft dieses mythischen »Dinges« detailliert berichten und auch die trivialen Mythen der Moderne einbeziehen.

Wie ist der Gral? So sollte die Frage wohl besser lauten. Der Gral ist ein Ritual, das vorgegeben ist, aber neu gefunden werden muss. Finden kann es nur der Erwählte, aber die Suche ist eine persönliche Leistung. Das Ritual kann sich auf die Suche beschränken (wie im Prosa-Lancelot ), es kann einen Rachevollzug einschließen (wie im Peredur oder, im Sinn einer Korrektur, bei Wagner) oder in einer Frage bestehen, die nach dem magischen Gegenstand und seinem Zweck (Chrétien) oder nach dem Leid des Gralhüters (Wolfram) gestellt werden muss. In der Frage können sich die Familienzugehörigkeit, die Rachebereitschaft, eine
ethische Haltung offenbaren. Der Gral als Objekt spiegelt nur die magische Aura des Rituals, er ist eine unterschiedlich zu füllende Leerstelle. Daher kann er auch einmal fehlen, wie bei Peter Handke oder nur noch als Souvenirgegenstand vorkommen wie im Film »The Fisher King«. Und bei Wagner ist der Gegenstand der Suche nicht der Gral, sondern der Speer, damit heilt Parsifal den kranken König.

Jünger ist die keltische These: Der Gralmythos gehe zurück auf Mythen, wie sie in der irischen und dann auch in der kymrischen (walisischen) Literatur zutage treten. Von den Kelten als längst vergangenem Volk, das heute nur noch in Ethnien am Rande Europas überlebt hat, begann im 19. Jahrhundert vor allem in England und Frankreich eine eigene Faszination auszugehen. Bei der Suche nach den Wurzeln des eigenen Volkes stieß man auf keltische Urgründe, auf die Briten bzw. die Gallier.

Weblink:


Der Gral - Mythos und Literatur

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