Vor 1.200 Jahren starb Karl der Große, der mächtigste Herrscher seiner Zeit. Gemmessen an der Größe und dem Umfang seines riesigen Karolinger-Reiches war er ein mächtiger Herrscher. Viele Attribute hat man dem karolingischen Reisekönig, der von Pfalz zu Pfalz reiste, angehängt: Heiliger, Begründer des christlichen Abendlandes, Sachsenschlächter und irgendwie auch Vordenker Europas. Doch wieviel Europa steckt in Karls Denken?
Schaue man auf sein Reich, habe er
"seine Herrschaft ausgedehnt", sagt der Mittelalter-Historiker und Karls Biograf Johannes Fried.
"Doch zwei Generationen danach war nichts mehr davon da. Es gibt zwar Traditionen, aber kein Reich mehr, während die kulturelle Leistung, die Erneuerung der geistigen Kultur, zum Beispiel der Buchmalerei, bis heute bleibt."
Nur wenige Jahre nach dem Tod Karls beginnt dessen "Vergrößerung": er wurde zum Reformer und Kriegsherren. Das Attribut "der Große" hatte man ihm erste nach seinem Tode angehängt, als sein Reich nur wenige Jahre zu zerfallen begann. Nur wenig von seinem Denken ist gesichert, vieles wird im nachhineien verklärt und in seine Person hineininterpretiert, um eine Kontinuität zur Gegenwart herzustellen.
Dabei habe man Karl nach den
"jeweiligen eigenen politischen Ansichten und Absichten verformt", so der Mittelalter-Historiker Max Kerner, der auch im Wissenschaftlichen Beirat dreier Aachener Karls-Ausstellungen sitzt, die anlässlich dessen Tod vor 1200 Jahren ausgerichtet werden.
"Sonst kann man nicht einen heiligen Karl und einen Begründer des christlichen Abendlandes und einen Sachsenschlächter und einen antimuslimischen Heros in einer Reihe nacheinander aufzählen." Hier sei der Blick auf Karl den Großen
"in der Tat verstellt".
Karl hat seine Herrschaft seines Karolingerreiches gewaltsam militärisch ausgedehnt und dabei eine kulturelle Identität geschaffen und sein Einfluss auf die Kultur seiner Zeit ist unbestritten. Er hatte eine Vorstellung von seinem Reich, aber eine Vorstellung von Europa hat er dabei gewiss nicht. Da sein Einflussbereich sich auf den europäischen Kontinent erstreckte, ist Europa daher etwas, was man in Karl Wirken hineininterpretiert.
Karl als europäischen Denker zu verklären, erscheint daher als glatte Fehlinterpretation seines Wirkens. Hier ist der Blick überhöht und verstellt zugleich: Obwohl er sich wunderbar als Herrscher von europäischem Format eignet, liegen die Wurzeln Europas nicht in der Herrschaft und Wirken Karls des Großen. - Dieser hatte nicht Europa, sondern sein Karolingerreich im Sinn, welches er zu seiner Zeit machtvoll auszudehnen wusste.
Weblinks:
Karl der Große im Jubiläumsjahr 2014 - 3Sat Kulturzeit
Bundespräsident Gauck würdigt Karl den Großen - www.stuttgarter-zeitung.de
Literatur:
Karl der Grosse: Der heilige Barbar von Stefan Weinfurter