Erwin Piscator starb vor 50 Jahren am 30. März 1966 in Starnberg. Er war einer der bedeutendsten Impresarios und einflussreichsten Theaterregisseure des 20. Jahrhunderts, nicht nur in Deutschland, wo seine künstlerische Laufbahn im Berlin der 1920er Jahre begann, sondern auch in den Vereinigten Staaten, wo er ab 1939 Zuflucht vor der Verfolgung durch das Nazi-Regime fand.
Piscator war ein einflussreicher Avantgardist der Weimarer Republik, der das Theater unter Ausweitung der bühnentechnischen Möglichkeiten zum ‚politischen Tribunal‘ umfunktionierte. Mit Hilfe komplexer Arrangements von Filmdokumenten, Bildprojektionen, laufenden Bändern und Fahrstühlen kommentierte er das theatrale Geschehen und erweiterte die Bühne zum epischen Panorama.
Erwin Piscator ist der Begründer des politischen Theaters. Der Begriff des „politischen Theaters“ geht auf die gleichnamige Schrift Erwin Piscators von 1929 zurück. Ausgesprochen politische Formen des Theaters waren das Theater Leopold Jessners und Erwin Piscators und das epische Theater von Bertolt Brecht.
Die Erlebnisse des zermürbenden Stellungskrieges an der flandrischen Westfront hinterlassen bei dem jungen Infanteristen Erwin Piscator (1893-1966) Spuren, die ihn als Mensch und Künstler bis zu seinem Tode zutiefst prägen. Im Berlin der 1920er Jahre steigt Piscator rasch zum gefeierten, aber auch umkämpften Regisseur auf. Mit seinen politisch revolutionären, ästhetisch avantgardistischen und technisch innovativen Theaterproduktionen begründet er eine neue Form des Theaters: Das politische und epische Theater.
Seine Inszenierung von Jaroslav Haseks »Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk« (1928) macht ihn über Nacht weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
Vor den Nazis erst nach Paris, dann in die USA geflohen, gründet er im New Yorker Exil den »Dramatic Workshop«, eine Theaterschule, die eine ganze Generation großer amerikanischer Schauspieler und Dramatiker prägt, u.a. Harry Belafonte und Tennessee Williams.
In den 1960er Jahren mischt er sich als Intendant der »Freien Volksbühne« in West-Berlin mit seinem dokumentarischen Theater erneut in die politisch-gesellschaftliche Debatte der jungen Bundesrepublik ein. Mit seinen Welturaufführungen von Hochhuths »Der Stellvertreter« und Weiss' »Die Ermittlung« stößt er die Diskussion um die Verstrickung der Deutschen in den Holocaust an.
Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bezeichnet Piscator in seiner programmatischen Schrift Das Politische Theater den Krieg als seinen Lehrmeister. Der Vortrag geht der Frage nach, welche Lehren Piscator aus den Erfahrungen des Krieges gezogen hat und wie der dieses epochale Ereignis sein Schaffen und seine Person geprägt haben.
Nachdem Piscators ursprüngliche Idee, seine Bühnenbearbeitung von Leo Tolstois »Krieg und Frieden« am Broadway auf die Bühne zu bringen, scheiterte, konzentrierte er sich darauf, an der »New School for Social Research« den »Dramatic Workshop« zu gründen, eine Schauspielschule, die gleichzeitig als künstlerisches Laboratorium fungierte. In mancher Hinsicht war der »Dramatic Workshop« eine Fortsetzung von Piscators Ideal des politischen Theaters mit anderen Mitteln, in anderer Hinsicht aber auch eine Zäsur und Neuausrichtung.
Anlässlich seines 50. Todestages erinnert die Freie Volksbühne Berlin an den großen Regisseur und Intendanten Erwin Piscator, der mit politischem Theater in den 1920er Jahren und mit der Aufarbeitung der NS-Diktatur im Theater der 1960er Jahre an den ehemaligen Bühnen der Freien Volksbühne politische und theaterhistorische Akzente gesetzt hat. Die Freie Volksbühne Berlin erinnert in einer von Frank-Rüdiger Berger kuratierten Ausstellung an diesen bedeutenden Regisseur, Theaterleiter und Theaterpädagogen.
Den 50. Todestag Piscators am 30. März 2016 begeht die Freie Volksbühne e.V. mit einer feierlichen Kranzniederlegung um 12.00 Uhr auf dem Waldfriedhof Zehlendorf. Neben einigen Worten des Vorsitzenden der Freien Volksbühne, Frank Bielka, wird der ehemalige Intendant der Freien Volksbühne Hermann Treusch gemeinsam mit der Schauspielerin Heide Simon aus dem Briefwechsel zwischen Erwin Piscator und seiner Frau Maria Ley-Piscator lesen.
Erwin Piscator wurde am 17. Dezember 1893 in Ulm, heute zu Greifenstein (Hessen) gehörig, geboren.