Samstag, 18. Juni 2022

»Über die ästhetische Erziehung des Menschen« von Friedrich Schiller

Friedrich Schiller

»Jeder individuelle Mensch, kann man sagen, trägt, der Anlage und Bestimmung nach, einen reinen, idealischen Menschen in sich, mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen Abwechselungen übereinzustimmen, die große Aufgabe seines Daseins ist. Dieser reine Mensch, der sich, mehr oder weniger deutlich, in jedem Subjekt zu erkennen gibt, wird repräsentirt durch den Staat, die objektive und gleichsam kanonische Form, in der sich die Mannigfaltigkeit der Subjekte zu vereinigen trachtet. Nun lassen sich aber zwei verschiedene Arten denken, wie der Mensch in der Zeit mit dem Menschen in der Idee zusammentreffen, mithin eben so viele, wie der Staat in den Individuen sich behaupten kann: entweder dadurch, daß der reine Mensch den empirischen unterdrückt, daß der Staat die Individuen aufhebt, oder dadurch, daß das Individuum Staat wird, daß der Mensch in der Zeit zum Menschen in der Idee sich veredelt.«

Friedrich Schiller, 1879

»Über die ästhetische Erziehung des Menschen«, in einer Reihe von Briefen. Kapitel 1, vierter Brief


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