In Weimar stehen Goethe und Schiller auf Augenhöhe im Siegerkranz vereint auf ihrem Podest. Das hat seinen Grund. Sie waren von dem Gefühl ihrer Freundschaft so sehr beseelt, dass keiner, wie Goethe später schrieb, "ohne den Andern leben konnte". Hier sind es zwei Künstlernaturen, die zueinander gefunden haben. Es ist die außergewöhnlichste Freundschaft in der Geschichte des Geistes. Goethes und Schillers Freundschaft gilt als Traumpaarung der deutschen Klassik, als Sternstunde des Geistes.
Die Wahlverwandschaft ist die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft in einer Zeit der dramatischen Umbrüche: Politisch hatte die französische Revolution das Ancien Régime blutig hinweggefegt und schickte sich an, auf die anderen europäischen Staaten überzugreifen. Gesetzmäßigkeiten, seit Jahrhunderten wie in Stein gemeißelt, änderten sich innerhalb kürzester Zeit. Kulturell und geistig wich das Zeitalter der Aufklärung und der Klassik einem aufkommenden Mystizismus, einer Neuentdeckung der Natur, der Romantik und der Leidenschaften.
Vor diesem Hintergrund beschreibt Safranski, wie sich Goethe und Schiller, die beiden ungleichen Persönlichkeiten, langsam aneinander annäherten, sich quasi beschnupperten, misstrauisch beäugten, schließlich Gefallen aneinander fanden. Und wie daraus eine der produktivsten Freundschaften der Geschichte entstand.
Goethes und Schillers Freundschaft gilt als Traumpaarung der deutschen Klassik, als Sternstunde des Geistes. Doch ganz konfliktfrei war ihr Verhältnis nicht. Obwohl sie sich gegenseitig halfen und inspirierten, beneidete Schiller den großen Goethe und fürchtete sich Goethe vor dem Aufstieg Schillers. In seinem spannend zu lesenden Buch erzählt Rüdiger Safranski die gemeinsame Geschichte der beiden Geistesheroen von der ersten Begegnung 1779 in Stuttgart bis zu Schillers Beerdigung in Weimar, der Goethe fernblieb.
Andere National-Literaturen haben ihre großen Einzelnen, die Engländer ihren Shakespeare, die Franzosen ihren Voltaire, die Russen Puschkin. Hier sind es zwei, die sich zu einem enormen Projekt zusammengeschlossen hatten: zur ästhetischen Erziehung der Nation, des großen Lümmels. Es gibt diese beiden, und sonst lange nichts.
Wie die beiden Geistesheroen sich umkreisen und voreinander fliehen, sich beschimpfen und schließlich zusammenfinden, das ist nun zum ersten Mal für ein breites Publikum von Rüdiger Safranski umfassend beschrieben worden*. Dabei hätten die beiden Naturen unterschiedlicher nicht sein können.
Entgegengesetze Eigenschaften machen eine innigere Vereinigung möglich. Goethe als Genie der Intuition, Schiller als das der Reflexion, gemeinsam angetreten, um ein Ideal zu beschreiben, das leuchtet bis heute: die Versöhnung von Vernunft und Natur, von Pflicht und Neigung, von Stil und Persönlichkeit.
Dass sie sich überhaupt zusammenfanden und wie sie es taten, ist eines der großen Rätsel, denn sie hätten nicht unterschiedlicher sein können: der ewig kränkelnde Schiller und die robuste Natur Goethe, der eine von Seelenfeuern und Tabak und vom Geruch fauler Äpfel vorwärtsgetrieben, der andere in sich ruhend, Geheimer Rat und Naturforscher und Dichter aus Neigung. Der eine kämpft, der andere wird gehätschelt.
So unterschiedlich beide Naturen auch waren, so hatten sie doch ein gemeinsames Ziel: die ästethische Erziehung des Menschen. Beide Geistesgrößen sollten sich zusammentun, um ein gemeinsames Projekt zu realisieren.
Goethe als Genie der Intuition, Schiller als das der Reflexion, waren gemeinsam angetreten, um ein Ideal zu beschreiben, das leuchtet bis heute: die Versöhnung von Vernunft und Natur, von Pflicht und Neigung, von Stil und Persönlichkeit.
Beide sind auf ihre Art missverstanden worden von den Deutschen, zum Teil grotesk. Schiller als Dichter des bieder Bürgerlichen oder Dämonischen, Goethe als Repräsentant des deutschen Reichs.
Biografie, die man gelesen haben sollte:
Goethe und Schiller: Geschichte einer Freundschaft von Rüdiger Safranski
Weblink:
Die Verschwörer von Weimar - www.spiegel.de
Das Weimar-Gefühl - kaffeehaussitzer.de -->