Sonntag, 20. September 2015

Oberösterreich - das Land der Flügelaltäre

Oberösterreich ist ein Land der Flügelaltäre. Ungefähr 2.000 gotische Flügelaltäre hat es einst im Land gegeben. Oberösterreich ist zwar nicht das Land, in welchem sich bis heute die meisten Flügelaltäre erhalten haben, aber einige der schönsten, darunter zwei der bedeutendsten überhaupt, der Kefermarkter Altar und der Pacher-Altar von St. Wolfgang.

Wie überall wurde auch in Oberösterreich im ersten Jahrtausend nach Christus die Messe so wie heute zum Volk zelebriert, was jede Art von Altaraufsatz ausschloss. Erst als die Priester begannen, die Messe mit dem Rücken zu den Gläubigen zu lesen, konnten die Altartische auf einer Seite mit einem gemalten oder geschnitzten Aufbau versehen werden. Es dauerte aber noch mehrere Jahrhunderte, bis das entstand, was wir heute als Flügelaltar bezeichnen. So ein Altaraufsatz bestand normalerweise aus einem Unterbau, der damals als „Sarg“, später als Predella bezeichnet wurde. Darüber ruhte der Corpus oder Schrein, mit je einem Flügel, bei großen Altären wie in St. Wolfgang oder Hallstatt aber auch mit zwei Flügelpaaren. Den oberen Abschluss bildete meist ein Aufsatz, das Gesprenge. Es gibt Altäre, die nur gemalt und solche, die nur geschnitzt sind, meist aber wirkten an ihrer Entstehung Maler und Bildhauer zusammen.

Hierzulande dürften bis um 1450 die gemalten Altäre vorherrschend gewesen sein. Später enthielt der Schrein dann Figuren oder sogar eine szenische Figurengruppe wie die Marienkrönung im Altar von St. Wolfgang. Je nach ihrer Bestimmung waren Flügelaltäre klein oder reichten bis zum Gewölbe der Kirche.
Oberösterreich besitzt heute noch über vierhundert Kirchen, die zumindest im Kern aus der Zeit der Gotik stammen. Jeder dieser Bauten enthielt einst drei, manchmal auch fünf oder sieben Altäre, in Einzelfällen aber auch erheblich mehr. So besaß die Stadtpfarrkirche von Freistadt vor den beiden Bränden von 1507 und 1516 nicht weniger als siebzehn Altäre.

Mit ähnlichen Zahlen wird auch bei den übrigen großen Stadt- und Stiftskirchen zu rechnen sein, sodass sich ein ursprünglicher Bestand von etwa 2.000 Altären ergibt. Das ist dieselbe Anzahl, die auch für das „klassische“ Gotik-Land Tirol angenommen wird. Davon sind allerdings nur weniger als ein Prozent vollständig oder doch zumindest in wesentlichen Teilen erhalten.

Oft war es eine beherzte Aktion von Einzelnen, die gotische Werke vor der Vernichtung bewahrte. Das gilt etwa für den Kreuzaltar in der Pfarrkirche von Hallstatt, der seine Erhaltung einem Bergmann verdankt. Dieser bewahrte das Werk um 1750 auf, statt es wie angeordnet zu Brennholz zu zersägen. Ein halbes Jahrhundert später war auch der große Hallstätter Marienaltar in höchster Gefahr. Er sollte nämlich 1799 durch einen der Barockaltäre aus der Stiftskirche von Mondsee ersetzt werden, was nur deshalb unterblieb, weil kein Geld für Abbruch und Transport aufzutreiben war.

In St. Wolfgang war es ein kunstverständiger Pfarrer, der sich 1787 weigerte, in die Predella wie vorgeschrieben einen Tabernakel einbauen zu lassen. Seine Begründung war, dass „unser Hochaltar der schönste ist, so ich jemals gesehen hab“. Man darf wohl davon ausgehen, dass der kunstsinnige Herr zu den Lesern von Goethes 1773 erschienenem, für das Verständnis der Gotik bahnbrechenden Aufsatz Von deutscher Baukunst gehörte. Später erhielt auch das Retabel von Kefermarkt erste lobende Worte, und zwar 1818, als Gräfin Lulu von Thürheim gemeinsam mit ihrer Nichte Therese die dortige „Kirche mit ihrem herrlichen Altar“ besuchte.

Noch während die letzten gotischen Altäre zerstört wurden, begann bereits anderswo der Aufbau der ersten Gotik-Sammlungen, vor allem in den Stiften St. Florian, Kremsmünster und Schlägl. Im Linzer Schloss befanden sich im 18. Jahrhundert unglaubliche 120 „theils altgottische, theils andere gemählde von Albrecht Dürr [Dürer] und nach dessen arth gemahlen“, von denen 1764 immerhin noch 52 vorhanden waren. Tatsächlich galten ja viele Werke der Spätgotik und der Donauschule, so auch die Bilder des Altdorfer-Altars in St. Florian, damals als Arbeiten Dürers. Man ahnt, was alles im Jahr 1800 beim Linzer Stadtbrand zugrunde gegangen sein muss. Gewissermaßen im letzten Augenblick bot schließlich auch die Gründung des Oberösterreichischen Landesmuseums vielen Werken der Gotik eine neue Heimstätte.

Heute sind Flügelaltäre vor allem durch Diebstähle bedroht. So wurde in Pesenbach ja nicht nur die entzückende Sitzmadonna, sondern auch die Marienfigur aus dem Gesprenge des Hochaltars gestohlen, und in Hallstatt rissen Diebe die beiden Flügel des Kreuzaltars herunter und beschädigten dabei auch den verbliebenen Mittelteil. Leider ist keines dieser Werke je wieder aufgetaucht.

Heute besitzt Oberösterreich zwar nicht die meisten, wohl aber die beiden bedeutendsten Flügelaltäre der österreichischen Spätgotik, nämlich den Pacher-Altar in St. Wolfgang und den Altar von Kefermarkt. Ihre Herkunft aus Bruneck beziehungsweise aus Passau nennt zugleich auch zwei der bedeutendsten Zentren der Altarherstellung, nämlich Tirol und Süddeutschland. Urkunden belegen, dass damals erheblich mehr Maler als Bildhauer tätig waren. Einige Maler arbeiteten gleichzeitig auch als Schnitzer, doch dürften Doppelbegabungen wie jene Michael Pachers die große Ausnahme gewesen sein.

Weblink:

Das Land der Flügelaltäre - www.ooegeschichte.at

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