Der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa ist ein umtriebiger
Mann: Sein literarisches Schaffen umfasst mittlerweile nicht nur
zahlreiche Romane und Erzählungen, für die er mit vielerlei
Auszeichnungen geehrt wurde, auch politisch war er in den letzten
Jahrzehnten überaus aktiv. Dazu hat er sich den Ruf eines
ausgezeichneten Essayisten erworben, der in seinen Publikationen
kritisch den Zustand unserer Gesellschaft reflektiert.
Vargas Llosa darf getrost als einer der maßgebliche engagierten
Intellektuellen unserer Zeit bezeichnet werden. Umso größeres Gewicht
muss seinen Worten beigemessen werden, wenn er sich nun auch als
Kulturkritiker hervortut und in seiner jüngsten Veröffentlichung »Alles
Boulevard« den drohenden Untergang der Kultur prophezeit. Ausführlich
versucht Llosa zu beschreiben, wie es zu dem negativen Kulturwandel
unter Aushöhlung der Kultur und ihrer Werte in den letzten fünfzig
Jahren gekommen ist.
In seiner fulminanten Gegenwartsanalyse zeichnet Mario Vargas Llosa
einige der tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten
Jahrzehnte nach und findet Gegengift in überraschend vitalen Tugenden.
Der totale Boulevard, die Dreistigkeit der Politik, die frivole
Banalisierung nahezu aller Lebensbereiche – Kultur wird heute
systematisch verramscht.
Und zwar als Folge eines Prinzips, über das weltweit Einigkeit zu
herrschen scheint: dass Unterhaltung und Spaß unser allerhöchstes Gut zu
sein hätten. Pointiert, leidenschaftlich und ohne Scheu vor
hartkantigen Überzeugungen setzt sich der Nobelpreisträger und
Weltbürger mit den vielgestaltigen Manifestationen dieser Tendenz
auseinander – wachen Blickes streift er durch die Galerien und Museen,
liest die Bücher und Illustrierten, sieht Fernsehen und Serien, schaut
den Politikern auf die Finger.
Und Vargas Llosa sondiert die Möglichkeitsbedingungen einer
alternativen Haltung. Gegen das Primat der gängigen globalen
Zerstreuungskultur setzt er so Anspruch und Wertebewusstsein, gegen die
grassierende Beliebigkeit eine Idee des Kanons, gegen die ideologischen
Formatierungen durch »political correctness« ermutigt er zu Reflexion
und geistiger Autonomie.
Was einmal Kultur war, ist heute Spektakel, ein kunterbunter
Amüsierbetrieb, leerer Lärm. Seine Refelexionen und Betrachtungen
gipfeln in der Feststellung: Wer seine Kultur verliert, verliert sich
selbst. Die Welt ist boulevardesk geworden! - »Alles Boulevard« ist ein so unbequemes wie notwendiges Buch,
das ganz zur rechten Zeit kommt.
Zwar handelt es sich nicht um einen Text aus einem Guss, sondern um
die Komposition verschiedener Essays und Zeitungsbeiträge für das
Madrider El Pais, aber die modulare Entstehung spricht eher für
Konsistenz als für Eklektizismus. In dem Buch wurden Texte aus dem
letzten Jahrzehnt zusammengestellt. Und wie alles, das Qualität für sich
reklamieren kann, polarisieren diese Texte.
Weblink:

Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst von Mario Vargas Llosa